West-Nil-Virus
Vorbericht
Eine 10-jähriger Wallach macht seinen Besitzern seit einigen Tagen wegen unsicherem Gang, leichtem Muskelzittern und untypisch sehr ruhigem Verhalten Sorgen. Daher kam er kürzlich als Patient zur Abklärung zu uns.
Untersuchungsbefunde
- Allgemeinbefinden hochgradig gestört, apathisch
- Fieber
- Tachykardie, Tachypnoe
- schwankender Stand, Muskelzittern
- teilweise reduzierte Reflexe
- Ataxie der Hinterhand
- kein bestehender Impfschutz gegen das West-Nil-Virus
Weiterführende Untersuchungen
- Leukozytose
- Erhöhung zweier Werte, die auf Muskelschädigungen hinweisen können (CK und AST)
- ELISA: Nachweis von MVN-IgM-Antikörpern (Hinweis für frische Infektion)
- PCR: positiv auf West-Nil-Virus RNA
Diagnose
West-Nil-Virus-Enzephalomyelitis
Therapie
Da bislang keine spezifische antivirale Therapie gegen das West-Nil-Virus zur Verfügung steht, erfolgt die Behandlung rein symptomatisch. Zum Einsatz kommen entzündungshemmende Medikamente, Flüssigkeitstherapie sowie die Supplementierung mit Vitamin E und B-Komplex, um das Nervensystem zu unterstützen. Ergänzend sind supportive Maßnahmen wie eine ruhige, reizreduzierte Umgebung für die Genesung des Pferdes von großer Bedeutung.
Verlauf und Prognose
In der Regel zeigen betroffene Pferde nach wenigen Tagen erste Besserungen – insbesondere bei Futteraufnahme, Fieberfreiheit und Wachheit. Innerhalb von etwa zwei Wochen kann eine deutliche Erholung des Gangbildes und des Allgemeinzustands beobachtet werden. Die Langzeitprognose ist vorsichtig optimistisch: Eine vollständige Erholung ist möglich, jedoch können neurologische Restsymptome bestehen bleiben. Je nach Ausprägung dieser ist eine weitere Nutzung des Pferdes im Sport möglich.
Vor diesem Hintergrund wird dringend empfohlen, ungeimpfte Pferde im Bestand prophylaktisch gegen das West-Nil-Virus impfen zu lassen.
Diskussion
Das West-Nil-Virus (WNV) ist eine durch Stechmücken übertragene virale Erkrankung, die in Europa zunehmend an Bedeutung gewinnt. Während viele Infektionen asymptomatisch verlaufen, können bei erkrankten Pferden schwerwiegende klinische Symptome auftreten, insbesondere neurologische Ausfälle wie Muskelzittern, Schwäche, Koordinationsstörungen (Ataxie), veränderte Reflexe bis hin zu Festliegen oder Lähmungen. Die Letalität bei klinisch auffälligen Pferden liegt bei etwa 30–40 % – ein nicht zu unterschätzendes Risiko.
Das Virus wird durch Mücken übertragen, wobei Vögel als Hauptwirte fungieren. Pferde und Menschen sind Fehlwirte, eine weitere Übertragung von Pferd zu Pferd findet nicht statt. Saisonale Häufungen im Spätsommer und Herbst spiegeln das Aktivitätsmuster der Stechmücken wider.
Die Diagnose erfolgt durch Blutuntersuchungen mittels ELISA (Antikörpernachweis) und PCR (Nachweis viraler RNA). In schweren Fällen kann auch eine Liquoruntersuchung zur Beurteilung zentralnervöser Veränderungen sinnvoll sein.
Da eine spezifische antivirale Therapie nicht verfügbar ist, steht die symptomatische und unterstützende Behandlung im Vordergrund. Umso wichtiger ist die Prophylaxe: Eine konsequente Impfung – bestehend aus Grundimmunisierung und jährlicher Auffrischung – kombiniert mit effektivem Mückenschutz und Bestandsmanagement stellt aktuell die einzige Möglichkeit dar, Pferde wirksam zu schützen.
Literatur
Hahn CN et al.
Phenylephrin-eyedrops as a diagnostic test in equine grass sickness
The Veterinary Record, Nov 18, 2000


