Equine Grass Sickness (EGS)

Vorbericht

Seit 14 Tagen zeigte ein zweijähriger Haflingerwallach eine rezidivierende Koliksymptomatik. Die Haustierärztin behandelte das Tier mehrfach mit Analgetika und Spasmolytika, es kam jedoch zu keiner dauerhaften Besserung des Allgemeinzustandes. 5 Tage später verschlechterte sich das Befinden des Pferdes nochmals, so dass es in die Klinik überwiesen wurde.

Untersuchungsbefunde

  • Schleimhäute: rosa-verwaschen mit einer kapillären Füllungszeit von 4-5 sec

  • Rektaltemperatur: 38,0 °C

  • Herzfrequenz: 80-100 Schläge pro Minute

  • Atemfrequenz: 24 Atemzüge pro Minute

  • Auf allen vier Quadranten eine sistierende Darmperistaltik.

  • Rektale Untersuchung: massive Obstipation im linken ventralen Abdomen, sowie ein hochgradiger Meteorismus des Colon ascendens. Die rektale Schleimhaut war trocken und im Rektum befand sich kein Kot.

  • Nasenschlundsonde: kein Reflux

Weiterführende Untersuchungen

  • Das kleine Blutbild zeigte eine geringgradige Leukozytose und eine geringgradige Dehydratation:

    12,72               G/l Leukozyten (5-10 G/l)

    40                    % Hkt (33-37 %)

    7,3                   g/dl GE (5,5-7,5 g/dl)

  • präumbilikale, mediane Laparotomie
  • Retroflexio coli ascendentis, hochgradige Obstipation des Colon ascendens und eine geringgradige Peritonitis.
  • Darmwand: geringgradiges Ödem
  • Mesenterium: leichte Anzeichen einer hämorrhagischen Infarzierung

Postopertiv kam es erneut zu einem Sistieren der Darmperistaltik und zu einer deutlichen Verschlechterung des Allgemeinbefindens des Pferdes. In der rektalen Untersuchung einige Tage später ergaben sich folgende Befunde:

  • dilatierte Dünndarmschlingen
  • hochgradig aufgesagtes
  • Nasenschlundsonde: 6l Reflux zu

Daraufhin wurde eine Relaparotomie durchgeführt.

  •  erneut eine hochgradige Obstipation im Bereich des Colon ascendens
  • Meteorismus desselben Darmabschnittes
  • Colon wurde erneut mittels einer Enterotomie entleert.

Postoperativ kam es trotz intensivmedizinischer Betreuung erneut zu einem postoperativen Ileus. Das Pferd zeigte zusätzlich Muskelfaszikulationen, ein hochgradig aufgezogenes Abdomen, phasenweise eine Hyperhidrosis, eine Hypersalivation, eine Dysphagie und eine Rhinitis sicca, so dass die Verdachtsdiagnose Equine Grass Sickness geäußert wurde (s. Abb. 1).

Phenylephrine-Augentropfen-Test

Es wurde ein Phenylephrine-Augentropfen-Test auf Grass Sickness durchgeführt. Dieser Test war positiv (s. Abb. 2).

Abb. 1
Das Pferd zeigt ein hochgradig aufgezogenes Abdomen

Abb. 2
Zustand des Pferdes nach Phenylephrin-Gabe in das linke Auge- Der Wimpernwinkel und die Größe der Fissura palpebrae differieren im Seitenvergleich deutlich. Linksseitig ist eine Ptosis zu erkennen.

Diagnose

Equine Grass Sickness

Therapie

Das Pferd wurde aufgrund einer dauerhaft sistierenden Peristaltik intensivmedizinisch über mehrere Tage betreut. Er erhielt Dauertropfinfusionen mit Ringer-Lösung, eine systemische Antibiose, Analgesie und eine ausschleichende Low-dose Heparintherapie.

Verlauf

Aufgrund des progressiv verlaufenden Krankheitsgeschehen und der schlechten  Prognose wurde das Pferd nach Absprache mit der Besitzerin euthanasiert.

Diskussion

In dem vorliegenden Fall wurde eine subakute Equine Grass Sickness (EGS) diagnostiziert.

Der Krankheitsverlauf dieser Form wird laut Literatur mit einer Dauer von 3 bis 7 Tagen beschrieben. Die klinische Symptomatik geht weniger mit der Entwicklung von Magen- oder Dünndarmproblematiken wie bei der akuten Form einher, sondern eher mit Colonobstipationen. Die Pferde zeigen eine charakteristische Haltung (Greyhound-Haltung) mit einem hochgradig aufgezogenen Abdomen (Bild1). Häufig wird eine Rhinitis sicca festgestellt, wie auch in dem oben beschriebenen Fall.

In vielen Studien wurde versucht das Agens der Erkrankung zu finden, jedoch konnte bis heute noch kein endgültiger Auslöser identifiziert werden. Angenommen wird, dass die Erkrankung durch eine Neurotoxin ausgelöst wird, dass die Neuronen retrograd und axonal erreicht. Dadurch kommt es zu einer Schädigung des enterischen, autonomen und somatischen Nervensystems. McCarthy und Mitarbeiter (2002) wiesen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Pferden, die einen niedrigen Gehalt von Antikörpern gegen C. botulinum Typ C nach, so dass ein Zusammenhang zwischen EGS und diesem Botulinustoxin zur Zeit angenommen wird.

Aufgrund des unklaren Ursprungs ist eine Prophylaxe leider schwierig bis unmöglich.

Die Prognose bei Equine Grass Sickness (EGS) ist abhängig vom Verlaufstyp. Bei der akuten Form ist sie in der Regel schlecht bis infaust, eine Nutzung im Reitsport ist dann ausgeschlossen. Bei der subakuten oder chronischen Form kann sich das Pferd unter intensiver Betreuung erholen und eine spätere Nutzung ist dann in Einzelfällen möglich, aber oft eingeschränkt.

Literatur

Hahn CN et al.

Phenylephrin-eyedrops as a diagnostic test in equine grass sickness

The Veterinary Record, Nov 18, 2000